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Dat is Punk, dat raffste nie

Was passiert, wenn man bei deutschem Punkrock mal die Musik weglässt und die Texte wie Gedichte rezitiert? Mutieren Systemkritiker dann zu gediegenen Germanisten? Oder zu zartbesaiteten Schöngeistern? Was geschehen kann, zeigten die Beatpoeten aus Hannover beim Slam-Special im Theater-Keller.

Von Meike Reimann

Eigentlich machen die Beatpoeten aus Hannover Elektropunk, sie haben aber auch eine Lesung im Programm, mit der sie am 29. November zu Gast in Göttingen waren. Der Zeitpunkt hätte kaum besser passen können, fand doch an diesem Tag eine Demonstration gegen den Verfassungsschutz oder besser: für die Abschaffung desselben statt. Aus diesem Grund wurde der Beginn der Veranstaltung verschoben, da man dem Publikum die Möglichkeit nicht nehmen wollte, bis zum Ende an der Demo teilzunehmen. Ein zielgruppenorientierter Abend also.

Angekündigt war der Abend als »Popper lesen Punk. Ein kommentierter Vortrag zu Lyrik von Anschiss bis Schlepphoden«. Wie muss man sich das vorstellen? Die Beatpoeten, bestehend aus Costa Carlos Alexander und Jan Egge von Sedelies, begeben sich auf die kleine Bühne des gut besuchten T-Kellers, kuscheln sich in ein paar alte Sessel, gönnen sich einen Schluck Rotwein. Vor dem Beginn steht die Einladung zu einem Bingo: jeder im Publikum solle sich zehn deutsche Punkbands aufschreiben und eifrig seine Kreuze machen, wenn der Name einer Band fällt, die man auf dem Zettel hat. Zu gewinnen gibt es ein Dosenbier von Kaufland. Das motiviert natürlich ungemein. Auch das gereichte Russisch Brot trägt zur Wohnzimmeratmosphäre bei. Und dann geht es los.

Geordnet nach verschiedenen Kategorien, wie etwa den »Selbstdefinitionen des Punks«, »Gefühlen« oder schlicht »Suff« lesen die beiden Beatpoeten abwechselnd Songtexte vor. Sie konzentrieren sich dabei auf den deutschen Punkrock der Achtziger Jahre, es gibt aber auch Ausflüge in die Neunziger. Die Texte äußern, wie man es auch als Nichtkenner wohl erwartet, meist Kritik: am Staat, an der Gesellschaft, an Kunst, Popkultur, Gentrifizierung oder auch an allem auf einmal. Dass diese Kritik meist recht simpel ausfällt, lässt sich erahnen, wenn man die Länge bzw. Kürze der Songs kennt. Dauern viele Punksongs schon kaum zwei Minuten, ist man mit dem zugehörigen Text meist schnell durch. Es kann schon reichen, das Wort »Bullenschweine« x-Mal zu wiederholen. Hat den Vorteil, dass man sich da keine Sorgen um ein Reimschema machen muss. Und es entspricht der Haltung des Punks, sich dem Diktum herrschender Systeme zu verweigern, in diesem Falle einer schwafelnden Sprache der Intellektuellen.

Im Laufe des Abends füllen sich die Bingozettel (zumindest die der anwesenden Punkexperten) und auch das fachfremde Publikum macht die Bekanntschaft von Bands wie Toxoplasma, Schleimkeim, Turbostaat, Captain Planet oder der Terrorgruppe. Vielen der von den Beatpoeten ausgewählten Texten ist eines gemein: sie sind so stumpf, dass es schon wieder witzig ist. Beispiel gefällig? »Da ist ein Loch am Himmel / ich bräune meinen Pimmel / und plötzlich fällt er ab / zapp.« So geht das »Ozonloch-Lied« der Terrorgruppe. Politischer wird es dann bei Normahl, die davon überzeugt sind, die Staatsmacht durch fliegende Pflastersteine besiegen zu können. »Blutige Nase, roter Kopf / wir sind aus demselben Topf / denn wenn mal der Pöbel muckt / sich auch mal die Staatsmacht duckt«, heißt es dort. Im Deklamationsstil erscheint der Text dann zwar in einem neuen Licht, doch bleibt unklar, ob es affirmativ oder ablehnend wirken soll.

Bei der Lesung wirken die Texte wie eine lockere Aneinanderreihung, die durch die Einteilung in verschiedene Kategorien nur dürftig zusammengehalten wird. Das liegt vor allem daran, dass die Beatpoeten die Texte einfach nur vortragen und sie entgegen der im Programmtext proklamierten Einordnung in den Lyrikkanon nicht großartig kommentieren. Die mitunter absurden Texte bieten zwar häufig Anlass zum Lachen, nach zwei Stunden wird es aber doch etwas eintönig und entwickelt sich zum Klamauk. Da hilft es auch nicht, dass ein wenig inflationär darauf hingewiesen wird, dass es hier um »Literatur« gehe, wenn das Publikum allzu ausgelassen wird. Auf die Frage hin, ob es ein Konzept oder gar eine Botschaft der Lesung gebe, sprechen die Beatpoeten immer wieder davon, dass man alles als einen immerwährenden »ironischen Bruch« verstehen solle. Zugegeben, dem sich allem (Sinn) entziehenden Punk-Ideal verpflichten sich die Beatpoeten und das hat durchaus seine Daseinsberechtigung. Allerdings ist der ewig ironische Bruch mittlerweile so Mainstream geworden, dass sich die Verfechter des Nonkonformismus damit irgendwie selbst ins eigene Fleisch schneiden.

Vielleicht lebt der deutsche Punkrock doch eher von seiner Musik als von seinen Texten. Es ist sicherlich eine originelle Idee, Punkrocktexte lyrisch verorten zu wollen. Schade nur, dass sich die Beatpoeten bei der Umsetzung einem stärkeren Tiefgang verweigern.



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 Veröffentlicht am 16. Dezember 2013
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