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Forum Junge Mediävistik

Das »Forum junge Mediävistik« ist ein studentisches Kolloquium, das Berührungsängste nehmen will. Studierende sollen hier sowohl an die Mediävistik herangeführt werden, als auch die Möglichkeit haben, ihre Abschlussarbeiten zu diskutieren. Ein Ersterfahrungsbericht, der Lust auf mehr macht.

von Adrian Brauneis

Ich bin mir nicht sicher, aber vermutlich hatte ich an dem Tag, als mein umtriebiger Studienkollege Michael Schwarzbach mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm und einem weiteren Kommilitonen, Liam Feder, ein Kolloquium in der germanistischen Mediävistik auszurichten, vermutlich hatte ich also an diesem Tag ziemlich gute Laune. Entweder das – oder ich war zeitweise geistig umnachtet, als ich Michael auf seine Anfrage hin rundheraus zugesagt habe.

Wenige Wochen später trafen wir uns erstmals, um unser weiteres Vorgehen zu besprechen. Unser Anliegen war es zum einen, Studenten die Möglichkeit zu geben, ihre Abschlussarbeiten, Bachelor- und Masterarbeiten, vorzustellen und zu diskutieren, zum anderen Studenten, vor allem solche der frühen Semester, an die Mediävistik heranzuführen. Eine Herkulesarbeit, wenn man bedenkt, wie voreingenommen die meisten Studenten sind und wie voreingenommen man selbst gegenüber der Mediävistik zu Beginn des eigenen Studiums gewesen ist: »So ein Scheiß, das ist doch bloß Sprachmüll, verdammter Grammatikscheiß!!!!« – erinnert man sich nicht ohne nostalgische Anwandlung.

Dieses gespannte Verhältnis zwischen Studenten und germanistischer Mediävistik ist sicherlich zum guten Teil auf falsche Erwartungshaltungen seitens der Studenten, nicht weniger jedoch auf eine unverhältnismäßige Organisation des Studiums zurückzuführen: Nahezu das komplette erste Studienjahr verbringen die unbedarften Neulinge in den mediävistischen Basisseminaren damit, Grammatik zu pauken, und werden dabei zu dem Irrglauben verleitet, mittelalterliche Literatur bestehe nur aus Lautverschiebungen und grammatischen Wechseln. Dass es in diesen phantastischen, bisweilen pikanten Texten eigentlich um Themen von zeitloser Gültigkeit geht, um Sex, Crime and Rock&Roll, diese Einsicht zu vermitteln, war unser frommer Wunsch.

Junge Mediävistik

Das Forum junge Mediävistik ist ein studentisches Projekt zur Verbesserung des Wissensaustauschs in der Göttinger Mediävistik. Es ermöglicht Studierenden, ihre Arbeiten vorzustellen, sie zu diskutieren – oder sich einfach beraten zu lassen.
 
 

Die erste und essentielle Aufgabe bei der Umsetzung unseres kleinen Projekts bestand sodann darin, Referenten für das Kolloquium aufzutreiben. Da kaum Bachelorarbeiten aufzutreiben waren, wurden ironischerweise drei von vier Terminen von Dozenten der germanistischen Mediävistik und nicht von Studenten besetzt. Nur an einem der Termine wurden zwei Bachelorarbeiten vorgestellt. Wiederum: Es waren Liams und meine Arbeiten, die präsentiert wurden. Michael, der zum Organisator bestimmt worden war, hatte beschlossen, dass wir beide mit gutem Beispiel vorangehen müssten, und uns mit dieser noblen Absicht im Kopf kurzer Hand in die Bresche geworfen.

Ferner war die Organisation eines Raums zu besorgen, musste eine Webpräsenz gestaltet und Werbung gemacht werden. Nach einigem Hin und Her und latenter nervlicher Zerrüttung ließen sich alle logistischen Probleme lösen. Vor allem die professionelle Gestaltung der Plakate fiel sehr eindrucksvoll aus. Dies und die Tatsache, dass Michael und ich durch diverse Vorlesungen getourt sind, um die junge Generation von der Sinnhaftigkeit und Ehrbarkeit unseres selbstlosen Vorhabens zu überzeugen, trug denn wohl auch nicht wenig dazu bei, dass bei unserem ersten Vortrag tatsächlich Besucher erschienen sind, die wir nicht im Vorfeld bestochen oder mit vorgehaltener Waffe bedroht hatten.

Eröffnet wurde die Vortragsreihe unter der humorigen Moderation Michaels von Prof. Reuvekamp-Felber. War hier unter den Besuchern noch ein deutlicher Überhang an Lehrenden zu verzeichnen, so gestaltete sich die Zusammensetzung des Publikums beim zweiten Vortrag schon ganz anders.

Als Katharina Behrens aus der Geschichtswissenschaft ihre Dissertation zum Thema Scham vorstellte, waren nahezu alle Plätze im Medienraum der Deutschen Philologie belegt. Auch die Beteiligung der Studenten an der anschließenden Diskussion gestaltete sich diesmal wesentlich lebhafter. Dies mag daran gelegen haben, dass nun mit einer Ausnahme überhaupt keine Lehrenden anwesend waren, die Befürchtung, sich mit einer vermeintlich naiven Frage zu blamieren, also gar nicht erst aufkam. Hinsichtlich studentischer Beteiligung bedeutete der vorweihnachtliche Vortrag von Frau Behrens zweifellos den Höhepunkt unserer Vortragsreihe. An diesen Erfolg hoffen wir im kommenden Semester anzuknüpfen, wenn ausschließlich Abschluss- und Doktorarbeiten vorgestellt werden.

Der dritte Termin des vergangenen Semesters war, wie schon bemerkt, für Liam und mich reserviert. Mit aller gebührenden Arroganz möchte ich sagen, dass wir uns grandios geschlagen haben, zu schade ist nur, dass die Beteiligung im Vergleich zum vorherigen Mal erheblich zurückgegangen und daher kaum jemand vor Ort war, um unseren intellektuellen Exhibitionismus zu bewundern. Ein Defizit, das womöglich damit zu erklären ist, dass der Vortrag bereits in die heiße Phase der Prüfungszeit gefallen ist. Daran wird’s gelegen haben.

Schließlich findet sich auch für die eher maue Beteiligung beim letzten Vortrag, gehalten von Herrn Dr. Hammer, eine mehr oder weniger plausible Erklärung. Dieser Vortrag musste von der üblichen Zeit abweichend statt um 18:00 Uhr um 20:00 Uhr stattfinden. Eine Zeit, und das kann man mit Zähneknirschen dann doch nachvollziehen, die sich für viele Studenten nach einem langen Arbeitstag als zu stressig erwiesen haben dürfte. Damit wäre die hehre Absicht gerettet und unser lädiertes Selbstbewusstsein wiederhergestellt.

Auch wenn der ganz große Besucheransturm ausgeblieben ist – das kann man nach einem Semester schlechterdings aber auch noch nicht erwarten – muss ich im Nachhinein freilich dankbar für meinen kurzfristigen Leichtsinn und Michaels sowie Liams Engagement sein. Denn trotz eines nicht immer geringen Mehrwerts an Arbeit war das von uns ausgerichtete Kolloquium doch insofern ein voller Erfolg, als wir zumindest eine kleine Schar regelmäßiger Teilnehmer begrüßen konnten, die sich lebhaft an den Diskussionen beteiligte. Schweiß und Tränen haben sich letztendlich doch gelohnt.



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 Veröffentlicht am 9. April 2010
 Kategorie: Wissenschaft
 Bild von pareeerica via flickr
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