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Graphic Novel
Grosser Krieg in Bildern

Der Künstler Peter Eickmeyer hat Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues in eine Graphic Novel übertragen, indem er die sehr plastische Sprache des Autors in eindrückliche Bilder übersetzt hat. Dabei bleibt das Artwork allerdings hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Von Sven Grünewald

Dass man pazifistisch oder gegen den Krieg ist, fand ich, war ganz selbstverständlich. Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind. Besonders die, die nicht hingehen müssen.

Dieses Zitat von Erich Maria Remarque ist der Graphic Novel Im Westen nichts Neues, etwas versteckt im Anhang, beigefügt und stellt die zentrale Botschaft dar, die das Werk dem Leser/Betrachter vermittelt. Das Kriegserleben des Soldaten im Großen Krieg wirkt im Vergleich zu heute fast fremd: Heute sitzen Drohnenoperatoren einen halben Globus entfernt in Kommandozentralen und jagen afghanische Hochzeitsgesellschaften in die Luft, Marschflugkörper zerstören gezielt Infrastruktur oder es finden neue Stellvertreterkriege durch bewaffnete Freiheitskämpfer/Terroristen statt, die allesamt nichts mehr mit dem zwischenstaatlichen Stellungs- und Massenvernichtungskrieg von 1914-18 zu tun haben. Wenn Remarque den Leser in die menschliche Existenz im Soldatischen hineinzieht und teilhaben lässt, dann kann man heute immer darauf verweisen, dass unsere Kriege ja vermeintlich klinischer, sauberer, schneller und für uns weniger existenzbedrohender, so gar nicht mehr total geworden sind. Doch die Sinnlosigkeit der militärischen Auseinandersetzung an sich, die aus jeder Zeile hervordringt, ist heute nicht weniger aktuell und akut, als es damals der Fall war.

Buch


Peter Eickmeyer
Das Im Westen nichts Neues
Graphic Novel nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque
Splitter Verlag, Bielefeld, 2014
176 Seiten, 22,80€

 
 
Obwohl die neuen weltweiten Konfliktsituationen einiges an Komplexität gewonnen haben, bleiben die Mechanismen gleich: Feinde werden stilisiert, was früher Propaganda war, ist heute eine einseitige und in Teilen unkritische Medienlandschaft, die Verantwortungsträger und Profiteure der Konflikte sitzen weit weg und lassen sich nicht die Beine wegschießen. Gewalt provoziert hauptsächlich Gegengewalt und vom naiven Glauben, durch militärische Eskalation Frieden zu schaffen, will man immer noch nicht lassen, obwohl die Geschichte reichhaltig Belehrungsmaterial bietet.
Es ist dies auch der bittere Nachgeschmack, den Im Westen nichts Neues zurücklässt und der trotz der großen zeitlichen Distanz zu 1914 nicht schwächer wird.

Die Adaption des Buches als Graphic Novel (erschienen Juni 2014) versucht sich daran, eine weitere Dimension der Wirkung zu erschließen, indem sie die sehr plastische Sprache Remarques in Bilder übersetzt, die insbesondere durch ihre Farbgebung wirkungsverstärkend sind. So hat der Meller Künstler Peter Eickmeyer nach jahrelanger Arbeit ein 176-Seiten-Werk vorgelegt, welches den weltberühmten Anti-Kriegs-Roman von Remarque mit Zeichenstift und Ölfarben illustriert. Eine breite und wohlwollende Rezeption im Gedenkjahr 2014 waren die Anerkennung für das Werk – ebenso wie der Umstand, dass es inzwischen bereits in der 2. Auflage erscheint. Das mag auch daran liegen, dass es sich überhaupt um die erste auf Deutsch erhältliche illustrierte Fassung des Romans handelt.

Grobe Skizzen mit großer Wirkung.

Die Graphic Novel orientiert sich völlig am Original: Die Sprache wurde nicht normalisiert, die Schreibmaschinenschrift versetzt einen auch typografisch in eine andere Zeit und vor allem wird der Originaltext zu großen Teilen in langen Passagen wiedergegeben. Es wirkt eher wie ein bilddominiertes Buch denn wie ein Comic. Man liest und dazu wirken die Bilder. Meist regiert eines der Ölgemälde eine Doppelseite, häufiger ergänzt um ein, zwei weitere, kleinere Bilder, doch dienen sie alle nicht dem Handlungsfortgang, sondern lassen die dortigen Textbausteine lebendig werden. Die Novel wirkt wie eine im Textumfang reduzierte bebilderte Ausgabe von Im Westen nichts Neues. Und selbst am Ende bleibt sie der Buchvorlage treu, indem sie anders als die Verfilmungen bildlich ausspart, wie Paul Bäumer stirbt.

Emotionale Wirkung soll die Graphic Novel natürlich vor allem durch ihre Bilder entfalten, vor allem Farben und zeichnerische Qualität. Beim Artwork dominieren dunkle, graue Ölfarben, die mit den zahlreichen tristen Szenen des Buches korrespondieren. Doch in den in den seltenen Momenten der Ruhepausen des Protagonisten halten freundlichere Farben Einzug – rote Blumen, blauer Himmel, grünes Gras, zitronengelbe Schmetterlinge. Während die Farbgebung sehr passend gewählt ist, ist die Darstellungen selbst eine reine Geschmacksfrage. Der Stil ist skizzenhaft, Personen sind zwar individualisiert und unterscheidbar, doch pummelig und grob – eben wenig realistisch. Dadurch entsteht in der Bildwirkung eine Distanz zum eigentlich grausamen Geschehen. Nur wenigen Bildern gelingt es, Alptraumhaftigkeit und Schrecken unmittelbar erfahrbar zu machen. Dadurch entsteht ein zwiespältiges Betrachtungserlebnis: Das Artwork will ansprechen, die Farben haben Wirkung, der Text hat Wirkung, doch der Zeichnungsstil konterkariert die Dramatik. Das mag vom Künstler gewollt sein, das mag dem schrecklichen Thema Schrecken nehmen und es dadurch leichter verdaulich machen (und dadurch die Altersgrenze für Leser senken), doch wirkt es auch wenig konsequent und wie verschenktes Potenzial.

Farbige Kontrapunkte als seltene Ruhepunkte.

Abgerundet wird die Graphic Novel zudem noch von einem zwölfseitigen Anhang: Vier Seiten zur Illustrationsgeschichte und dem Nachleben von Im Westen nichts Neues, zwei Seiten Rezensions- und Entstehungsgeschichte des Buches, fünf Seiten Recherchereise der Verfasser in Kurzform, der Erste Weltkrieg in einer einseitigen Kurzdarstellung sowie vier Seiten Skizzen, die den bildlichen Entstehungsprozess veranschaulichen. Doch gerade dieser Skizzenteil, der sehr spannende Einblicke in das Arbeiten von Künstlern ermöglicht, fällt leider sehr kurz aus.

Fazit: Ein künstlerisch anspruchsvoller Versuch, eine erste deutsche illustrierte Adaption von Im Westen nichts Neues vorzulegen. Inhaltlich auch in der etwas textreduzierten Version packend, doch bleibt das Artwork hinter seinen Möglichkeiten zurück.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 25. März 2015
 Kategorie: Belletristik
 Bilder mit freundlicher Genehmigung von Peter Eickmeyer
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