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Holy Crap!

Kaum ein Comicautor und -zeichner ist so bekannt wie er: Frank Miller. Fast schon eine lebende Legende. Spätestens seit den Verfilmungen seiner Graphic Novels 300 und Sin City, für die auch schon Fortsetzungen angekündigt sind, ist er weltweit bekannt. Nachdem diese von den Genregrößen Zack Snyder und Robert Rodriguez verfilmt wurden nahm er selbst 2008 für die Comic-Verfilmung The Spirit auf dem Regiestuhl Platz. Jetzt ist die neue Graphic Novel Holy Terror des 55 jährigen Amerikaners erschienen und beendet die lange Wartezeit der Fangemeinde.

Von René Anders

In Sachen Comics ist Miller wohl so etwas wie ein kanonischer Autor: seine Arbeiten an Daredevil, Elektra und Batman waren wegbereitend und gelten heute als Klassiker der Comic-Geschichte. Ganz »back to the roots« erzählt er in Holy Terror nun eine Superheldengeschichte und schickt einen Richter in den Krieg um Empire City. Die Story ist dabei schnell erzählt: Der Richter und die Katze bekämpfen zusammen al-Qaida, die plant, Empire City in Schutt und Asche zu bomben. Der Richter ist dabei ein Held ganz ohne Superkräfte, allein sein Geschick hilft ihm in seinem Kampf gegen das Verbrechen… und natürlich sein riesiges Waffenarsenal, denn anders als ein Spiderman, Superman oder Batman, ist dem Richter sehr daran gelegen, Gerechtigkeit mit unverzüglichem Vollzug der Todesstrafe gleichzusetzen. Und so foltert und ballert er sich durch Empire City, lässt einen Islam-feindlichen Spruch nach dem anderen los und schafft es tatsächlich, von Seite zu Seite dem Leser unsympathischer zu werden.

Warten auf das große Erwachen

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der Katze, einer geschickten Diebin, die zunächst Gegenspielerin des Richters ist. Nachdem sie sich dann jedoch verbünden, verlieben sie sich und so bomben sie die Terrorzelle zusammen als Paar aus der Stadt. Ein Schelm, wer hier Parallelen zu Batman und Catwoman sieht… Aber tatsächlich sollte Holy Terror ursprünglich eine Batman-Geschichte werden, in der Gotham City von Terroristen heimgesucht wird. Und so ist es kaum verwunderlich, dass nicht nur ein Batman- und ein Catwoman-Abklatsch vorkommen, sondern auch ein schnauzbärtiger Polizeichef, der glatt ein Zwillingsbruder von Commissioner Gordon sein könnte. Laut Miller entwickelte sich das Projekt aber zu etwas, das nicht mehr zu Batman passte und so musste ein neuer Held herhalten. Zumindest hiermit liegt Miller richtig. Ein schießwütiger Rassist war der dunkle Ritter noch nie. Was man nun allerdings als Resultat hat, ist eine Mischung aus Dirty Harry und Batman und das Ganze dann noch gewürzt mit einer mächtigen Prise Patriotismus.

Buch-Info


Frank Miller
Holy Terror
Graphic Novel
Panini Comics: Stuttgart 2012
124 Seiten, 29,95 €

 
 
Nun kennt man Miller und weiß, dass er ein Freund von Antihelden und Außenseitern ist und erwartet am Ende das große Erwachen: Dass der Richter vielleicht der eigentliche Bösewicht ist. Dass am Ende gar keine Islamisten hinter den Terroranschlägen stecken. Irgendetwas auf jeden Fall, das nicht ganz so platt ist. Darauf wartet man jedoch vergeblich. Neben dem uramerikanischen Richter taucht auch noch ein Attentäter aus dem Jemen auf. David heißt er und trägt einen riesigen blauen Davidsstern auf dem Gesicht. Miller springt von einem Vorurteil zum nächsten und feindet damit nicht nur gegen al-Qaida, sondern tatsächlich gegen den Islam allgemein. So verbirgt sich die Terrorzelle unter der großen Moschee in Empire City und die muss natürlich am Ende mit viel Bums in die Luft gejagt werden. Die Graphic Novel endet in einer Widmung für Theo van Gogh, einem niederländischen Filmregisseur und Publizisten, der 2004 nach Ausstrahlung seines Films Submission einem Attentat zum Opfer fiel. Der Film behandelte die Unterdrückung der Frau im Islam. Die Kollegen Millers und die Presse reagierten eher geschockt und gereizt auf diese Anti-Islam Propaganda. Grant Morrison, ebenfalls Kultautor in der Comic-Szene, sagte nach Erscheinen der Novel, es sei ein respektloses Werk und sah Miller schon den Pinsel und Stift an die Wand hängen, um an der Front zu kämpfen. Miller selbst sagt, sein Werk »is bound to offend everybody«.

Miller auf Abwegen

Doch neben der kruden Story fallen auch Millers Texte und Zeichnungen negativ auf. Eigentlich ist sein Zeichenstil sein ganz großes Markenzeichen. Einen Miller erkennt man sofort. Er zeichnet immer ein bisschen grob, mit dicken schwarzen Linien und seine Comics wirken oft wie ein Film Noir. Genauso reduziert ist auch die Sprache. Meist gibt es keine langen Sprechblasen und man erfährt das Meiste aus der Innensicht eines Charakters. Gerade die vielen Wiederholungen von markanten Sprüchen, wie in Sin City, zeichnen seinen Sprachstil aus. In Holy Terror ist das alles in nicht ganz so ausgefeilter Form vorzufinden. Die Zeichnungen wirken an manchen Stellen äußerst roh und erwecken den Eindruck, er habe die Graphic Novel zwischen Tür und Angel gezeichnet. Manch ganzseitig gedruckte Zeichnung erinnert noch an den großen Miller, aber gerade in den kleinen Frames ist er äußerst ungenau und auch seine Darstellung von Physiognomie und Bewegung ist teilweise wirklich hanebüchen. Auch sprachlich ist Miller von seinem Stil abgewichen: Statt vieler Wiederholungen sowie markanter und reduzierter Sprache mit derben Sprüchen, überwiegen nun die nervtötenden Parolen des Richters und die äußerst flache Innensicht der Katze.

Was dann dabei rauskommt, ist leider ein stilistisch halbgares Produkt, das eine Geschichte erzählt, die keiner braucht. Vielleicht hatte sich Miller mit Holy Terror einen kleinen Skandal erhofft, nachdem in letzter Zeit Mohammed-Karikaturen für Attentate und Terrorandrohungen sorgen, vielleicht wollte er auch einfach mal ganz klar seine Meinung sagen. In beiden Fällen kann man nur den Kopf schütteln. Insgesamt ist Holy Terror wirklich überraschend, denn es hätte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass ein Frank Miller mal so einen Mist verzapfen würde…



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 14. Januar 2013
 Kategorie: Belletristik
 Bild von JD Hancock via flickr.
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