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Leise köchelnd

Der Koch und Foodstylist Stevan Paul hat ein Buch mit rekordverdächtig langem Untertitel geschrieben: Schlaraffenland. Ein Buch über die tröstliche Wirkung von warmem Milchreis, die Kunst, ein Linsengericht zu kochen, und die Unwägbarkeiten der Liebe. Seine Geschichten ums Kochen sind teils halbgar, teils überwürzt und begeistern vor allem dann, wenn der Autor die eigene Branche durch den Kakao zieht.

Von Inga Busch

Ein schreibender Koch, genauer, ein Koch, der nicht nur Kochbücher verfasst, sondern gleich ganze Geschichten übers Kochen erfindet. Stevan Paul bezeichnet sich selbst als »Kulinariker«; der Koch, der auch Foodblogger und Foodstylist ist, liebt Kochen und Essen – und so tun dies auch seine Figuren. Diese allerdings bleiben im Gegensatz zum Autor, der rundum sympathisch daherkommt, mit ihren Geschichten oft im halbgaren Zustand, ohne Pointe, ohne Clou.

Aber von vorne: 15 kulinarische Erzählungen versammelt Schlaraffenland und alle kreisen in irgendeiner Form ums Essen, um Gerichte vom Nudelsalat mit Mayo (natürlich selbstgemacht!) bis zur Jakobsmuschel mit Wasabi-Schaum. Auf jede Erzählung folgt ein Rezept, das vorher Teil dieser Erzählung war. Diese Idee ist gut und in der Aufmachung erstklassig umgesetzt. Schon der Einband deutet auf das Thema des Buches hin: In Grau- und Weißtönen gehalten erinnert er an die Resopaloberfläche eines Küchentischs aus den fünfziger Jahren, der mit blauen und roten Motiven von Lebensmitteln und Küchenutensilien gedeckt ist. Die Rezeptseiten sind von den Erzählungen farblich abgesetzt und lassen sich gut wiederfinden, falls man sie tatsächlich einmal nachkochen möchte.

Couchtisch statt Küchenschrank

Beim Essen erinnert man sich oft daran, wie gut etwas geschmeckt hat, noch eindrücklicher in Erinnerung bleibt aber häufig das: wo, wann, mit wem. Das macht sich das Buch zu Nutze, denn wer ein Rezept nachkocht, vergisst auch die Geschichte nicht. Während normale Kochbücher mit hunderten Rezepten aufwarten, bietet Paul nur 15, verpackt diese in seine Kochgeschichten und überschreitet damit die Grenze zwischen Sachbuch und Belletristik. Schlaraffenland will nicht nur im Küchenregal stehen, sondern auch auf Couchtischen liegen. Damit wird das Kochen ganz nonchalant einmal mehr, was es ohnehin schon ist: salonfähig.

Buch-Info


Stevan Paul
Schlaraffenland
Erzählungen
mairisch: Hamburg 2012
ca. 192 Seiten, 18,90 €

 
 
Das Schlaraffenland ist dort, wo gekocht wird. Für Paul ist dies nicht nur eine Restaurantküche, sondern überall, wo ein Topf auf einen Herd gestellt wird. Dieses Denken wird in den Erzählungen überzeugend vermittelt. Pauls Inspirationen lesen sich wie aus seinem Leben gegriffen. Die Lebenswelt seiner Protagonisten ist vom Kochen geprägt. Dies verankert die Geschichten in einem gemeinsamen Kontext, das Kochen oder die Leidenschaft für Essen verbindet seine Figuren. In den Erzählungen transportiert Essen oder die Liebe zum Kochen Emotionen, der titelgebende Milchreis soll trösten, für die frisch entlassene Kantinenköchin Herta Klöpke heißt Kochen nicht nur eine Mahlzeit zubereiten, sondern auch Anerkennung und das Gefühl gebraucht zu werden.

Dies macht die Erzählungen sehr zugänglich, wer Kochen liebt, wird sich für einige Geschichten und Rezepte begeistern können. Doch oft wirken die Beschreibungen von Gerichten, Zutaten oder Wein in Gläsern zu gewollt und zu platziert, nur um der Idee des Buches gerecht zu werden, zu oft »schwappt eiskalter Rosé in beschlagenen Weingläsern«, wird »mit großem Appetit« gegessen, oder rauschen Linsen »wie feiner Regen in einem dichten Blätterwald« durch Hände. Einige Erzählungen kleben umständlich an der Wortoberfläche, aber bleiben dabei flach und oft vermisst man eine Prise mehr Humor oder Dramatik.

Das Glück, »ein Teller mit Trüffelpasta«?

In der Geschichte um zwei trüffelversessene Toskana-Touristen, die ihre Trüffel wie Drogen beim »Trüffeldealer« kaufen, fehlt etwas. Eine dramatische Wendung, Komik, etwas, das über die Feststellung, dass das Glück »ein Teller mit Trüffelpasta« ist, hinausgeht.

Einige Erzählungen stechen heraus, können überraschen und schaffen es, die Verbindung zwischen Figur, Geschichte und Gericht nicht konstruiert wirken zu lassen. Dies sind die Geschichten, die sich tatsächlich im Kochmilieu abspielen, dort wo sich der Autor am besten auskennt. Die Geschichte des Foodbloggers, der eigentlich immer bio und fair kaufen will, aber trotzdem Kaffe aus Aluminiumkapseln trinkt und dabei auch noch von seinem, ökologisch hoch ambitionierten, Nachbarn entlarvt wird, ist lustig und beschreibt zugleich die alltäglichen Widersprüche des Konsumverhaltens. Diese Geschichten bedürfen keiner großen Wendung, köcheln leise vor sich hin und können dabei begeistern.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 1. Juli 2013
 Kategorie: Belletristik
 Red Cabbage von Jeff Werner via flickr
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