Politthriller, Justizdrama, Geschichtsroman. Die fiktive Biographie des antiken Politikers Marcus Tullius Cicero aus der Feder von Robert Harris bietet ein facettenreiches Leseerlebnis. In Imperium kann man viel über die Welt der Antike lernen. Und auch über die Welt von heute.
Von Felix Kadèra
Die Welt des antiken Roms ist eine ungerechte Welt. Wer als adeliger Patrizier geboren wird, dem sind Reichtum, Ansehen und eine politische Karriere vorherbestimmt. Als armer Bürger aus der weitaus größeren Klasse der Plebejer wird man sich mit der Rolle als Landwirt, Kaufmann oder Handwerker zufriedengeben müssen. Die Geschichte von Marcus Tullius Cicero ist die Geschichte eines Mannes, der nach mehr strebt und durch sein politisches Geschick und seine Redegewandtheit zu einem der wichtigsten Politiker seiner Zeit heranwächst.
Imperium ist der erste Teil einer Trilogie über das Leben Ciceros und dementsprechend leise und unbedeutend beginnt seine Geschichte. Während sich ein Patrizier auf die großen Namen und Errungenschaften seiner Vorväter berufen kann, um seine politische Karriere zu fördern, bleibt einem Neuling im Senat, einem »Homo Novus«, nur eines: ein guter Ruf. So muss sich Cicero zunächst als Anwalt in den Gerichtshöfen des Forum Romanum beweisen und einen erbitterten Wahlkampf führen, um im Senat aufzusteigen. Diesen Hintergrund nutzt Autor Robert Harris, um den LeserInnen die Welt Ciceros näher zu bringen.
Wer nicht gerade sehr geschichtsaffin ist, lässt sich beim Gedanken an das antike Rom womöglich zur Vorstellung von einer Stadt aus Marmor und edelmütigen Senatoren in ihrer weißen Toga verleiten. Doch die Römische Republik in Imperium ist voller Korruption und Intrigen, Drohungen und Mord. In diesem Sumpf aus Gier nach Macht und Geld muss Cicero moralische Standhaftigkeit beweisen. Das gelingt ihm nicht immer.
Erzählt wird Ciceros Geschichte aus der Sicht seines Sklaven und Sekretärs Tiro. Cicero ist, was Freunde einen Pragmatiker und Gegner einen Heuchler nennen würden. So bekämpft er zum Beispiel die konservativen Senatoren, um sich als junger Politiker zu profilieren, nur um sich später auf ihre Seite zu schlagen, wenn es darum geht, seine eigene Machtposition beizubehalten. Cicero ist nicht der unfehlbare Held, den man sofort ins Herz schließt. Tiro als Erzähler ist dabei immer an Ciceros Seite, kritisiert gleichzeitig das Verhalten seines Meisters, wenn er es für falsch oder töricht hält. Durch Tiros Augen lernt man auch die großen Figuren der Zeit kennen: von einem der größten Generäle Roms, Pompeius, über den reichsten Mann Roms, Crassus, bis hin zu dem jungen Mann, dessen Name noch zweitausend Jahre später nachhallt wie kaum ein anderer: Gaius Julius Caesar.
Doch neben den großen Personen tauchen auch eine Unmenge an Nebenfiguren und Ereignissen auf, die vielen wohl kaum ein Begriff sein dürften. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite erfährt man auf unterhaltsame Weise eine Menge über die späte Römische Republik zu Zeiten Ciceros. Auf der anderen Seite kann die Informationsfülle die LeserInnen mitunter erschlagen. Ein Register wäre hilfreich gewesen: Bei Namen wie Cato, Catulus und Catilina kann man schon mal den Überblick verlieren. Und wenn man sich vorher noch nie mit der römischen Ämterlaufbahn, dem »Cursus Honorum«, beschäftigt hat, muss während der Lektüre schnell gegoogelt werden, welche Machtbefugnisse der Praetor gegenüber dem Konsul oder dem Volkstribun inne hatte.
Generell hilft der klare Schreibstil des früheren Journalisten Harris, LeserInnen in diese fremdartige und doch seltsam vertraute Welt zu ziehen. Durch die Unmittelbarkeit der Erzählweise vergisst man oft, dass alle AkteurInnen in dieser Geschichte schon vor dem Beginn unserer Zeitrechnung gestorben sind, und es kann einem schon unbehaglich werden, wenn man daran denkt, dass die Welt Ciceros innerhalb der nächsten dreißig Jahre in Bürgerkriegen untergehen und als das Sinnbild der totalen Diktatur neu auferstehen wird. Das liegt vor allem daran, dass die Welt von Imperium unserer modernen Welt sehr ähnlich ist; die Korruption in der Politik, die klaffende Schere zwischen Arm und Reich, der Kampf zwischen Eliten, die sich nicht den neuen Gegebenheiten anpassen wollen, und den immer radikaleren Reformern, die sich populistischer Rhetorik bedienen, um die Massen aufzuwiegeln mit dem Ziel, parlamentarische Prozesse auszuhebeln. Wenn sich Pompeius nach einem Seeräuberangriff durch eine Kampagne der Panikmache zum Oberbefehlshaber mit uneingeschränkten Vollmachten ernennen lässt, wird man unwillkürlich an George Bushs Krieg gegen den Terror erinnert.
In Imperium steigt Cicero vom unbedeutenden Hinterbänkler zum angesehenen Politiker auf. Die Geschichte endet mit ihm auf dem Höhepunkt seiner Macht. Als erster Teil einer Trilogie stellt dieses Buch aber nur die Spitze des Eisbergs von Ciceros beeindruckender Karriere dar. Schlussendlich sehnt man sich danach, endlich herauszufinden, was passiert, wenn die Römische Republik auf diesen Eisberg zusteuert und ob Cicero es schafft, die nahende Krise zu umschiffen. Nicht nur geschichtsinteressierte LeserInnen werden mit diesem Buch ihr Vergnügen haben und nicht nur Laien werden auf unterhaltsame Weise noch etwas Neues über die Welt des antiken Roms erfahren.
Ein toller Artikel. Ich freue mich, ihn online zu lesen 🙂