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Mitmachen bitte!

Das Göttinger Theater im OP ist seit beinahe 30 Jahren ein nicht mehr wegzudenkender Teil des Göttinger Theaterlebens und als »Mitmachtheater« eine ganz besondere und in dieser Form in Deutschland einmalige Einrichtung. Wir haben uns mit einigen Fragen im Gepäck aufgemacht, um persönliche Eindrücke und Erfahrungsberichte von Mitwirkenden zu sammeln und so mehr über das Konzept »Mitmachtheater« zu erfahren.

Von Lilly Günthner und Sophia Karimi

»Im ThOP sind uns zwei Sachen besonders wichtig: Das was auf der Bühne zu sehen ist, soll gut sein, und es sollen so viele Leute wie möglich mitmachen können«, sagt Barbara Korte, die seit 2009 für die technisch-organisatorische Leitung des ThOP verantwortlich ist. Das ThOP möchte grundsätzlich allen Theaterinteressierten und Neugierigen die Möglichkeit bieten, sich auszuprobieren. Ob auf der Bühne oder dahinter, bei Maske, Licht und Regie, alle Bereiche sind offen, auch, oder gerade für diejenigen, die noch nie am Theater tätig waren. Die Mitwirkenden tun dies ehrenamtlich, »aus Liebe zum Theater und einfach weil es ihnen Spaß macht«, erzählt Barbara Korte. Sie ist selbst in ihrem ersten Semester vor mehr als zehn Jahren zum ThOP gekommen und hat in unterschiedlichen Bereichen mitgewirkt, bevor sie 2003 Mitarbeiterin wurde und seit 2009 die Leitung übernommen hat. Sie ist jetzt verantwortlich für Verwaltung, Finanzen und den Lehrplan; zudem bildet sie die Schnittstelle zur Öffentlichkeit. Mit ihr gehören insgesamt mehr als 20 Leute zu einem festen Kern von MitarbeiterInnen, deren überwiegender Teil ehrenamtlich tätig ist, zu dem aber auch fünf studentische Hilfskräfte zählen. In einmal monatlich stattfindenden Treffen werden gemeinsam organisatorische Fragen besprochen, vom Kulturticket bis zur Verteilung von Spielzeiträumen.

Offenheit und die Möglichkeit, sich einzubringen, werden am ThOP auf allen Ebenen praktiziert. Die sonst in Theatern üblichen Instanzen von Dramaturgie und Intendanz, die wichtige Entscheidungen treffen oder ein festes Profil und einen Spielplan vorgeben, gibt es nicht, ebenso kein festes Ensemble. Das heißt in der Praxis, dass sich ein Team immer nur für eine Produktion neu zusammenfindet und die Regisseure in Eigenverantwortung arbeiten. Für eine Spielzeit werden im Vorfeld lediglich die Zeiträume für eine Inszenierung vergeben. Die Regisseure entscheiden dann selbst mit ihrem Team, welche Stücke aufgeführt werden und wie sie umgesetzt und beworben werden. Durch dieses Vorgehen bietet das ThOP ein sehr abwechslungsreiches Programm, von Klassikern bis zu zeitgenössischen Stücken, in unterschiedlichsten Inszenierungsformen.

Das Theater lebt von dieser Ungebundenheit und Eigeninitiative. Viele, aber nicht alle der Mitwirkenden sind Studierende. Denn am ThOP kann man auch Credits für Theaterarbeit oder ein Theaterzertifikat erwerben. Die Lehraufträge für die Lehrveranstaltungen, acht pro Semester, werden aus Studiengebühren finanziert. Auch das Publikum ist studentisch geprägt; »mehr als die Hälfte unserer Zuschauer sind Studenten«, sagt Barbara Korte. Diese Anbindung an die Uni bietet Studierenden die Chance, aktiv daran mitzuwirken, einen Dramentext auf die Bühne zu bringen. Die Theaterarbeit soll in erster Linie Spaß machen. »Die Auseinandersetzung mit den Texten ist uns wichtig«, so Barbara Korte, »gerade weil die Stücke selbst ausgewählt werden und auch die Schauspieler ›freiwillig‹ mitmachen, haben alle Beteiligten Interesse und Freude an den Stücken«. Das macht das ThOP so besonders: »Wie hoffen, dass die Zuschauer das merken«.

»Die letzten drei Wochen vor der Premiere lebt man quasi im ThOP«

Laura Potthoff, 24, studiert Englisch und Spanisch im Master. Sie hat bereits an sechs Produktionen als Schauspielerin mitgewirkt, das erste Mal 2009. Auf die Frage, was das ThOP für sie so einzigartig macht, antwortet auch sie: »Jeder der Lust hat, kann im Prinzip mitmachen und alle Bereiche ausprobieren«. Besonders diese offene Atmosphäre prägt für sie das ThOP. »Die Leute sind nett und man schließt schnell Freundschaften und dafür, dass nur Laien mitspielen, haben ThOP-Produktionen eine gute Qualität«. Die Theaterarbeit hat ihr immer Spaß gemacht, auch wenn sie teilweise sehr zeitintensiv ist: »Die letzten drei Wochen vor der Premiere lebt man quasi im ThOP« erzählt sie. Eine tolle Erfahrung sei es aber immer wieder.

Diese Mischung aus zeitintensiver Arbeit und Spaß beschreibt auch Sebastian Braatz. Er ist Mitarbeiter am ThOP und sehr oft auf und auch hinter der Bühne tätig, um »den Theater- und Spielablauf am Laufen zu halten«. Das bedeutet dann neben klassischen Theatertätigkeiten wie Schauspiel und Regie auch, dass er beispielsweise den umfangreichen Fundus aufräumt, Plakate und Flyer verteilt, Karten vorverkauft, die Abendkasse übernimmt, an der Getränkebar steht – und und und. Das bedeutet nach eigener Einschätzung und bei laufender Produktion, dass »bestimmt 50 Prozent der Zeit« in das ThOP investiert werden. »Alles in allem ist es natürlich ›nur‹ ein Hobby, aber ich kann so ein Hobby nicht nur 50 Prozent machen. Wenn ich es mache, dann mache ich es richtig«, sagt er.

Theater im OP

Das Theater im OP (ThOP) ist das Universitätstheater der Georg-August-Universität Göttingen, gegründet 1984 von der dramaturgischen Abteilung des Seminars für Deutsche Philologie. Seine Aufgabe ist die Vermittlung theaterpraktischer Kompetenzen. Gespielt wird in einem ehemaligen Schauoperationssaal einer alten chirurgischen Klinik. Die Zuschauer sitzen zu drei Seiten auf Tribünen, das Schauspiel findet in der Saalmitte statt. Mehr? Hier: thop.uni-goettingen.de
 
 
Das Dazwischen von chronischer Überarbeitung und großer Begeisterung für das ThOP ist ihm anzumerken; bestimmt vier Stunden täglich verbringt er in Hochphasen dort, denn Mitmachen heißt eben auch, dass es nur funktioniert, wenn auch wirklich alle mitmachen. Trotz der vielen engagierten Helfer am ThOP bleibt einfach doch sehr viel Arbeit für wenig Menschen. Nur die Theaterlei-denschaft und die Bereitschaft, zumindest zeitweilig das eigene Leben nach dem ThOP auszurichten, ermöglichen es, diesen Theaterbetrieb so am Laufen zu halten und jeden Monat eine neue Theaterproduktion zu zeigen. Denn es bleibt Laienschauspiel und damit für die meisten Beteiligten ein Hobby. Das Engagement und der Arbeitsaufwand sind hoch und schweißen die ThOP-Leute zusammen; man hat manchmal fast das Gefühl, dass in den Räumlichkeiten des Deutschen Seminars ab 18.00 Uhr eine andere Welt entsteht.

Und das nun schon für beinahe drei Jahrzehnte. Das ThOP besteht seit 1984 und ging aus der Dramaturgischen Abteilung hervor, die noch keine feste Spielstätte hatte. Hinsichtlich der Organisationsform, Dauer des Bestehens und Anzahl der jährlichen Produktionen ist das ThOP in Deutschland einzigartig. Jährlich bietet es 12 oder mehr Produktionen, einige Gastspiele und insgesamt über 150 Aufführungen. Längst ist das ThOP also eine feste Instanz im kulturellen Leben Göttingens. Eine eigentliche Konkurrenz zu den beiden anderen Theatern besteht nicht. Das ThOP ist kein professionelles Theater und hat auch nicht den Anspruch, es zu sein. Auch die ZuschauerInnen erwarten keine Professionalität. Trotzdem betont Barbara Korte, dass sie natürlich einen Qualitätsanspruch haben, was nicht heißt, dass sie den Anspruch haben, professionell zu sein oder sich mit dem professionellen Schauspiel zu messen. Es geht darum beides zu verbinden: ein gutes Theaterstück auf die Bühne zu bringen und vielen Leuten die Möglichkeit zu geben, daran mitzuwirken. Das Verhältnis zum Deutschen und Jungen Theater ist gut. Die Theater kooperieren: Zusammen mit anderen Göttinger Kultureinrichtungen sind sie im Kunst e.V. zusammengeschlossen und helfen sich auch sonst, beispielsweise mit dem Verleih von Requisiten oder Kostümen.

Ganz aktuell ist aber zum ersten Mal auch so etwas wie Konkurrenz zu spüren, und zwar durch das in diesem Semester neu eingeführte Kulturticket. Während im DT und JT alle Aufführungen für Studierende kostenlos sind, bietet das ThOP zurzeit nur drei bis vier kostenlose Vorstellungen pro Inszenierung an. Das zeichnet sich an den Besucherzahlen ab. Zum Wintersemester 2013/2014 sollen die Konditionen aber geändert werden. Die Studierenden stimmten über den Fortbestand des Kulturtickets und seine Konditionen in einer Urabstimmung Ende Januar 2013 ab. Im ThOP werden deshalb ab Herbst alle Aufführungen der Eigenproduktionen (mit Ausnahme von Premieren und Dernièren) für Kulturticket-NutzerInnen kostenlos zu besuchen sein.

Das ThOP beweist seit langem, dass Theater auch als »Mitmachtheater« wunderbar funktioniert und dieses Konzept viele Vorteile bietet. Das können die zahllosen Beteiligten, die mit Freude bei der Sache sind und mit ihrer Arbeit den Theaterbetrieb erst ermöglichen, wohl ebenso gut wie die Zuschauer bestätigen.



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 Veröffentlicht am 2. April 2013
 Foto mit freundlicher Genehmigung vom Theater im OP
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